Bautagebuch Neubau Gemeindehaus & Kirchenrenovierung
Eintrag 36, KW11/ 2020 „Rückblick auf das abgeschlossene Baurechtsverfahren I: Eine Chronologie der Ereignisse“
16 Monate hat das Baurechtsverfahren gedauert. Als Außenstehende/r wird man sicherlich kaum eine Vorstellung entwickeln können, wie sich das so lange hat hinziehen können. Darum hier als ersten Überblick die einzelnen Verfahrensschritte mit kurzer Charakterisierung:
- Beim Architektenwettbewerb ist ein Vertreter des Landesdenkmalamtes für Denkmalpflege beratend anwesend: Am 13. April 2016 beschließt das Preisgericht einstimmig, den Entwurf von Wulf Architekten/ Stuttgart mit dem 1. Rang zur weiteren Beauftragung zu empfehlen. Das Protokoll der Jury-Sitzung geht danach auch dem Landesamt für Denkmalpflege zu. Darin ist kein deutlicher Einspruch des Denkmalschützers zur Niederschrift vermerkt. Die Landesdenkmalpflege nimmt das Protokoll ohne Stellungnahme oder Einspruch zur Kenntnis.
- Vororttermine mit den Vertretern der Landesdenkmalpflege: Zur Vorbereitung der verpflichtenden Anhörung der Landesdenkmalpflege erfolgen mehrere Besprechungstermine. Davon am 8. Februar und 16. Mai 2018 zwei protokollierte Treffenin großer Besetzung. Davor finden bereits Vorbesprechungen mit den Architekten statt. An den Besprechungsrunden nehmen Denkmalschützer des Regierungspräsidiums Karlsruhe und der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis teil. Anregungen und Bedenken der Unteren Denkmalschutzbehörde werden in nicht unerheblichem Maß durch Änderungen der Planung Rechnung getragen. Eine geforderte Visualisierung wird erstellt. Bei den Gesprächen kommt es dennoch zu keiner inhaltlichen Annäherung.
- Die Einreichung des Bauantrags: Trotz des zu erwartenden Widerspruchs seitens der Denkmalschützer wird der Bauantrag fertiggestellt und Ende Oktober 2018 beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises eingereicht. Treibende Motivation ist die Hoffnung, im Lauf des Verfahrens in den strittigen Punkten zu einer Kompromisslösung zu kommen.
- Die ablehnende Stellungnahme des Landesdenkmalamtes: Mit Schreiben vom 26. November 2018 legt das Landesamt für Denkmalpflege dem Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises seine denkmalschutzrechtliche Beurteilung des Bauantrages vor. Seitens des Amtes wird unter den bereits mündlich geäußerten Bedenken erklärt, dass dem Antrag nicht zugestimmt werden könne. Damit ist der Bauantrag nicht genehmigungsfähig.
- Suche und Beauftragung eines im Denkmalrecht erfahrenen Juristen: Nach einer abgestimmten Empfehlung des Bauamtes des Oberkirchenrates und den Verantwortlichen der Evangelischen Stiftung Pflege Schönau wird als Jurist Herr Jörg von Albedyll aus der Kanzlei GREUS Rechtsanwälte Heidelberg/ Mannheim mit der juristischen Vertretung der Kirchengemeinde im Baurechtsverfahren beauftragt. Die Anzeige der Vertretungsberechtigung und die Vollmacht erfolgt gegenüber dem Landratsamt am 26. März 2019.
- Die Beantragung eines Anhörungsverfahrens: Beim Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises wird beantragt, mit juristischem Beistand zu dem ablehnenden Bescheid der Landesdenkmalpflege Stellung nehmen zu dürfen. Mit der Bestätigung des Rechts auf ein Anhörungsverfahren wird von Amts wegen das Baurechtsverfahren vorübergehend ausgesetzt.
- Die Klärung, wie die Christuskirche in der Landesdenkmalliste kategorisiert ist: Jurist von Albedyll beantragt einen Auszug aus der Landesdenkmalliste. In den sehr spärlichen Ausführungen mit Stand 1986, die am 16. April 2019 eingehen, steht: „Die Kirche prägt das Ortsbild und ist das dominierende Bauwerk des Historismus in Sandhausen und ein wichtiges Werk in der Entwicklung des evangelischen Kirchenbaus in Baden. Die Erhaltung steht aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen im geschichtlichen Interesse.“
- Die Forderung nach einer wissenschaftlichen Begründung der Denkmaleigenschaft der Christuskirche durch die Landesdenkmalpflege: Da die Einstufung der Christuskirche in der Landesdenkmalliste (noch) nicht mit einer denkmalfachlichen Begründung hinterlegt ist, fordert Jurist von Albedyll diese bei der Landesdenkmalpflege ein. Absicht: Nur bei ausreichender Begründung der Denkmalwürdigkeit und Denkmalwertigkeit eines Gebäudes kann die Sichtweise der Denkmalpflege einer „erheblichen Beeinträchtigung“ durch eine bauliche Veränderung am Bestandsgebäude zu einer Ablehnung des Baurechtsverfahrens führen. Am 18. Juni 2019 legt das Landesamt für Denkmalpflege eine 11-seitige denkmalfachliche Begründung der Denkmalfähigkeit der Christuskirche vor.
- Die Feststellung der liturgischen Belange durch die „kirchenleitende Behörde“ (= Evangelische Landeskirche): Mit Schreiben vom 11. September 2019 stellt die Landeskirche die liturgischen Belange fest, die – geschützt durch die im Grundgesetz verbriefte Religionsfreiheit – einen wesentlichen Teil der Einwände der Landesdenkmalpflege juristisch entkräften.
- Der formale Einspruch der Kirchengemeinde: Am 18. November 2019 reicht Jurist von Albedyll eine ausführliche und juristisch fundierte Entgegnung ein. Sie endet mit der Feststellung: „Aus all dem ergibt sich, dass trotz der Bedenken des Landesamtes für Denkmalpflege die Baugenehmigung zu erteilen ist.“
- Die Feststellung des Dissenses durch das Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises: Das Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises folgt im Wesentlichen der Rechtsauffassung der Kirchengemeinde und stellt daher den Dissens fest. Der Einbezug des Regierungspräsidiums Stuttgart als vermittelnde übergeordnete Behörde ergibt, dass die Landesdenkmalpflege ihren Widerstand gegen das Projekt aufgibt.
- Die Erteilung der Baugenehmigung: Am 27. Februar 2020 erteilt das Landratsamt die Baugenehmigung. Wenige Tage später liegen die Unterlagen im Rathaus vor. Im vorab zugestellten Schreiben mit der Ankündigung der erfolgten Erteilung der Baugenehmigung informiert die Baurechtsbehörde: „Das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart behält sich vor, sollten die Neubau-/ Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, nach deren Abschluss zu prüfen, ob die Christuskirche dann noch die Kriterien eines Kulturdenkmals erfüllt.“
Mit herzlichen Grüßen,
Bernhard Wielandt, Pfr.