Wussten Sie eigentlich, dass es regionale Unterschiede in der Verköstigung von Gästen gibt? Das jedenfalls beteuern die Architekten, die bei uns zur monatlichen Baubesprechung zusammenkommen.
Als ich unserer Sekretärin das letzte Mal den neuen Besprechungstermin bekanntgegeben habe, damit sie im Buchungssystem für die Sitzung den Raum reserviert, fragte sie: „Für eine Stunde?“ Ich musste spontan lachen, da wir in diesen Runden bisher niemals unter zwei Stunden zusammengesessen sind. Manchmal haben wir auch schon so engagiert diskutiert und beraten, dass wir am Ende fünf Stunden gebraucht haben. Wer ist denn da alles dabei, mögen Sie sich vielleicht fragen. Nun, zur Stammbesetzung zählen zwei Vertreter des Architekturbüros Wulf aus Stuttgart, die uns zugeordnete Gebietsreferentin aus dem Bauamt des Evangelischen Oberkirchenrats, der Projektsteuerer der prokiba (Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden mbH) und zwei Mitglieder aus dem Kirchengemeinderat als Bauherrenvertreter. Dazu kommen temporäre Fachleute, Ingenieure, Repräsentanten der öffentlichen Hand oder Gäste zu den jeweiligen Themen. Durch die Länge der Sitzungen haben es inzwischen alle Beteiligten zu schätzen gelernt, dass es bei uns immer ein reichliches kulinarisches Angebot gibt: Jedes Mal etwas Süßes und etwas Salziges, oft auch Obst und dazu Kaffee, Wasser und Saft.
Es wurde uns schon von unterschiedlicher Seite versichert, dass es zum Beispiel im Schwäbischen oder in anderen badischen Regionen weit weniger gastlich zugehe. Wenn’s mal eine Brezel gebe, dann trocken, gewiss nicht mit Butter. Früher hatten sich einige der Projektbeteiligten vor der Sitzung noch zum Bäcker begeben, um einmal verstohlen in die Semmel beißen zu können, falls die Sitzung länger dauert. Inzwischen verlassen sich alle darauf, dass die Versorgung gewiss wieder stimmt. Da zum Ende der Beratung immer noch was übrig ist, reicht es sogar noch für Proviant auf die Hand, wenn sich die weitgereisten Teilnehmer wieder auf den Heimweg machen.
Ein wenig erinnert mich das an Martin Luther, von dem nach der Heidelberger Disputation im Frühjahr 1518 überliefert ist, er sei aus der Kurpfalz „wohl gesättigt“ von dannen gezogen. Waren auch die Professoren an der Heidelberger Theologischen Fakultät von Luthers Ansichten wenig begeistert, so hatte der Kurfürst den jungen Mönch jedoch freundlich empfangen und fürstlich bewirten lassen. Schließlich lehrte der Bruder des Kurfürsten auch als Professor in Wittenberg an der Universität und war mit Martin Luther befreundet. So war die anstrengende Reise in den Süden für den künftigen Reformator wenigstens kulinarisch ein Erfolg.
Ja, dadurch hebt sich die Kurpfalz bis heute hervor: Durch ihre gastliche Offenheit. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Das weiß man hier. Bis jetzt stimmt die Chemie inhaltlich und menschlich in der Runde der Projektleitung. Die ansprechende Bewirtung trägt sicherlich ihren Teil dazu bei.
Mit herzlichen Grüßen,
Bernhard Wielandt, Pfr.