Liebe Jubelkonfirmierte,

den Moment Ihrer Jubelkonfirmation könnte man mit dem einfachen Wort „Auftauchen“ überschreiben. Nach 50 Jahren haben sich manche von Ihnen irgendwann aus den Augen verloren. Die Lebenswege der meisten Menschen verlaufen nicht so gerade, wie man sie vielleicht selbst planen würde. Unerwartete Ereignisse und Begegnungen führen schon mal zu einem plötzlichen Knick oder Bogen und man findet sich in kurzer Zeit an einem anderen Ort oder in einem völlig neuen Lebenszusammenhang wieder. Zwischen Konfirmation und der Goldenen Konfirmation spielt sich die „Rushhour“ des Lebens ab: Berufsfindung, Partnerwahl, Familiengründung, das häusliche Niederlassen an einem oder verschiedenen Orten. Im Moment der Goldenen Konfirmation kann man auf einige dieser Bereiche – mit mehr oder weniger Gelassenheit – zurückblicken. Für viele ist die Goldene Konfirmation deshalb eine schöne Gelegenheit wieder einmal unter ehemaligen Schulfreundinnen und alten Bekannten aus dem Herkunftsort aufzutauchen: In geselliger Runde Erinnerungen auszutauschen, vom eigenen Weg erzählen und den Zukunftsplänen der anderen zu lauschen.

Dieses Jubiläum kann auch Anlass dafür sein, dankbar auf das zurückzublicken, was gelungen ist im eigenen Leben. Gerade die vergangenen Monate haben uns gelehrt, dass wir unser Leben nicht im Griff haben und dass gelingendes Leben nicht einfach geplant, erarbeitet und verdient werden kann. Neben der Freude am Wiedersehen und dem Wohlergehen der Mitglieder des eigenen Jahrgangs wird es nach 50 Jahren auch manches Schwere und Erschreckende geben, das Sie miteinander teilen: Verstorbene Mit-Konfirmierte oder Schicksalsschläge, die manche zu verkraften hatten. So besehen wird die Goldene Konfirmation zum Moment des Auftauchens und Luftholens, in dem man die eigene Biographie Revue passieren lässt.

Die Goldene Konfirmation 2021 ist schließlich auch im Blick auf das Ende des zweiten langen Lockdowns, der dritten Welle der Corona-Pandemie und dem Wiedererwachen des sozialen Lebens ein Auftauchen. Nach vielen Monaten sozialer Enthaltsamkeit ist die Goldene Konfirmation ein Höhepunkt: Was Schönes Anziehen, viele Leute treffen und vielleicht auch eine Möglichkeit für schöne Musik und gutes Essen.

Dieses dreifache „Auftauchen“ an Ihrer Goldenen Konfirmation wird ganz unterschiedliche Gefühle und Stimmungen in Ihnen hervorrufen. Dieser Moment spiegelt damit unser Leben in seiner Ambivalenz wider. Im Psalm 71 wendet sich ein Mensch zu Gott mit den Worten:

Du lässest mich erfahren viel Angst und Not und machst mich wieder lebendig und holst mich wieder herauf aus den Tiefen der Erde. (Psalm 71,20)

Gott ist nicht nur ein Gott-fürs-Schöne. Seine Verwicklung in die schweren Erfahrungen unseres Lebens wird ausdrücklich benannt – es bleibt uns rätselhaft. Im gemeinsamen Gespräch über Nöte und Schicksalsschläge kann sich diese Haltung in einem Augenblick des stillen Mitschweigens über unverständliche Härten zeigen. Doch bleibt dieses Gebet nicht dabei stehen. In diesen Worten richtet sich ein Mensch auf Gott aus, staunt über Rettungserfahrungen oder vertraut auf Gottes Fürsorge in der Zukunft: Aus den dunklen und unverständlichen Tiefen des Lebens werde ich an der Hand Gottes wieder auftauchen, Luft holen und neues Leben finden.

Für die gemeinsame Feier der Goldenen Konfirmation im Jahr 2021 wünsche ich allen Teilnehmenden ein solch vielfältig schillerndes „Auftauchen“. Die Facetten dieses Auftauchens werden jeweils ganz unterschiedlich gewichtet sein. Dennoch wünsche ich Ihnen an diesem Tag stärkende Momente, schöne Begegnungen und hoffnungsvolle Ausblicke, die Sie befreit aufatmen lassen.

Herzliche Grüße

Ihr Mathias Thurner, Pfarrer