Liebe Jahrgangsmitglieder, liebe Konfirmationsjubilare!

2020 ist in jeglicher Hinsicht ein denkwürdiges Jahr. Der für den 29. März geplante Festgottesdienst zu Ihrer Goldenen Konfirmation musste im Zuge der ersten bedrohlichen Ansteckungswelle der Covid-19-Pandemie abgesagt werden. Damit fiel nicht nur der bereits bis ins Detail geplante und intensiv vorbereitete Segnungsakt selbst ins Wasser. Sondern Sie mussten auch die übrigen Bestandteile Ihres gesamten Festwochenendes streichen. Da herrschten sicherlich Frust und Enttäuschung darüber, dass die bisherigen Überlegungen und gefundenen Lösungen mit einem Schlag dahin waren, dass Sie sich nicht treffen und miteinander feiern konnten.

Zudem höre ich aus dem Kreis Ihrer Altersgruppe neben den sehr unterschiedlich gelagerten individuellen Ängsten bezüglich der eigenen Gesundheit Klagen darüber, als „Risikogruppe“ stigmatisiert und aus vielen gewohnten sozialen Vollzügen komplett ausgegrenzt zu sein. Nicht jede oder jeder war und ist mit der empfohlenen Isolation einverstanden. Nur einige konnten den durch den Lockdown entstandenen Freiräumen uneingeschränkt Positives abgewinnen. Denn schließlich bedeuteten die Auflagen nicht nur, dass das Festwochenende Ihres 50. Jahrgangstreffens, das Ehrengedenken Ihrer verstorbenen Kameradinnen und Kameraden oder die Feier der Goldenen Konfirmation abgesagt werden mussten. Auch in den Familien hieß es seit dem Frühjahr für viele, dass sie ihre Kinder und Enkel nur eingeschränkt sehen konnten, dass die Reisefreiheit begrenzt wurde und Restriktionen in vertrauten Abläufen verkraftet werden mussten, wie z.B. bei selbständiger Arbeit oder aktiver Vereinszugehörigkeit. Kurz gesagt und negativ bewertet: Gesellschaftlich, kirchlich und privat liegt ein einziges Tohuwabohu hinter uns.

Dieser biblische Ausdruck für heilloses Durcheinander aus dem Anfang der Bibel (1. Mose 1, 2) hilft mir, um die Gefühlslage zu beschreiben, die ich am Anfang der Pandemie am dichtesten wahrgenommen habe. In einzelnen Bereichen hält das Wirrwarr noch an. Da bin dankbar für die gegenteiligen positiven Beobachtungen, die parallel ebenfalls möglich waren, wenn man den Blick dafür behielt: Zunächst wurden diejenigen wertgeschätzt und gesellschaftlich beklatscht, die sich in den Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegediensten um die kritischsten Krankheitsverläufe kümmerten. Da wurden viele kleine Zeichen der Solidarität aus Fenstern oder von Balkonen herunter in die Welt gesetzt. Kirchenglocken riefen zum Gebet. Im Internet gab es eine Fülle an kreativen Beteiligungsmöglichkeiten, um sich neben den vielen Einschränkungen doch noch als selbstwirksam, hilfefähig und dem Ganzen zugehörig zu fühlen. Und auch gottesdienstlich haben wir nach der ersten Schockstarre seit Himmelfahrt wieder Formen im Rahmen des Möglichen gefunden, um das Wort Gottes zu verkünden und die Gemeinschaft unter den Mitarbeitern und den übrigen Gemeindegliedern weiter zu pflegen.

Wenn wir nun am 27. September von evangelischer Seite mit der Feier der Goldenen Konfirmation wenigstens den kirchlichen Part Ihres Jubiläumswochenendes nachholen, wird das natürlich auch unter „Pandemie-Bedingungen“ geschehen müssen. Wir sind leider noch nicht ganz frei von allen Restriktionen. Aber unter dem gebotenen Abstand können wir zumindest Gottes Segen miteinander teilen und die Gemeinschaft aller Gläubigen im Vollzug der Liturgie spüren. Das wird sicherlich nicht dasselbe sein, wie ursprünglich geplant. Die individuelle Segnung und das Überreichen der Urkunden müssen ebenso unterbleiben, wie die sonst obligatorische Feier des Abendmahls. Aber wir können Sie – einzeln gesetzt wie die grünen Konfirmanden auch – als ganze Gruppe mit dem Segen Gottes bedenken, für Sie beten und im Rahmen der Liturgie auch würdevoll Ihrer verstorbenen Jahrgangsmitglieder gedenken.

Dass das inzwischen auch schon wieder mit festlichen Klängen vollzogen werden kann, ist auch der Flexibilität und dem unbändigen Gestaltungswillen der beteiligten Kirchenmusiker unserer Gemeinde zu verdanken. So dürfen wir uns auf einen schönen Gottesdienst freuen. Und ich lade alle Mitglieder des Jubiläumsjahrgangs samt ihren Familienangehörigen und Gästen zum Mitfeiern ein. Ihre Gesundheit liegt uns sehr am Herzen. Das Hygienekonzept auch für diese Veranstaltung garantiert bei Beachtung durch alle Anwesenden, dass wir uns unbesorgt gemeinschaftlich begegnen können – wenn auch mit vorgeschriebenem räumlichem Abstand.

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer (hebräisch: Tohuwabohu), und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ (1. Mose 1, 1+2)

Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel entspricht nicht dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand von der Entstehung der Welt. Ich schätze sie aber theologisch trotzdem. Enthält sie doch den wertvollen Hinweis darauf, dass es einen Gestaltungsimpuls und einen Zielgedanken gegeben haben musste, um aus dem anfänglichen Chaos von Materie und Energie einen solch komplexen und fein aufeinander abgestimmten Lebensraum entstehen zu lassen wie ihn die Erde darstellt. Mit allem, was auf ihr lebt – Menschen, Tiere und Pflanzen – stellt sie einen einzigartigen Schatz dar, den wir täglich genießen dürfen. Diese gestalterische Kraft und unbändige Kreativität wird in der Bibel mit dem Geist Gottes identifiziert. Er ist es, der uns bis heute in jedem Gottesdienst und auch in der persönlichen spirituellen Begegnung beleben, ermutigen und trösten möchte.

Ich wünsche Ihnen als Angehörige des Jubiläumsjahrgangs trotz der schwierigen Umstände bei Ihrer alternativen Feier der Goldenen Konfirmation, dass Gottes Geist in Ihrem Leben eine ordnende und ermutigende Gestaltungskraft bleibt. Dafür möchte ich Ihnen den Segen Gottes wünschen und allen Anwesenden persönlich zusprechen. Bleiben Sie behütet!

Bernhard Wielandt

Gemeindepfarrer, Evangelische Kirchengemeinde Sandhausen