Eintrag 54, KW11/ 2021

„Ein alternativer Taufort für die Zukunft?“

Bei der Bestandsaufnahme durch die beauftragten Architekten und Ingenieure fiel ein Gegenstand im Außenbereich ins Auge, der sich wohl schon seit Jahren in der südwestlichen Ecke der Kirchenfassade befindet: Eine Sandsteinplatte in den Maßen 60x60x10cm mit einer flachen Vertiefung auf der Oberseite. Zeitweilig vom bisherigen Bewuchs verdeckt, grün von Moos und Algen und mit Laub verunreinigt, ist er auch mir erst aufgefallen, als ich mich näher mit dem Zustand der Fassade und der Außenanlage beschäftigt habe. Nach einigem Nachdenken kam ich darauf, wofür dieser Stein einst verwendet worden war und wie er an die Fundstelle hinter der Kirche gelangt sein musste. Alte Bilder vom Innenraum gaben mir Gewissheit. Sie zeigen ihn nach der ersten grundlegenden Neufassung des Innenraums: Es handelt sich um einen der ehemaligen Taufsteine der Christuskirche. Er gehörte zu dem Ensemble aus den 60er Jahren, von dem heute nur noch der Altar übrig ist. Wie es auch der Kanzel widerfuhr, so musste der schwere und fest verortete Taufstein nach 20-25 Jahren liturgisch-sakraler Verwendung einer anderen Lösung weichen. Das heute gebräuchliche Taufbecken bietet mit seiner leichten Holzkonstruktion und den Rollen unten dran eine viel größere Flexibilität. Was wir derzeit verwenden, ist schon die dritte Gestaltung eines Taufortes in der Christuskirche in einer Nutzungszeit von insgesamt 155 Jahren.

Wurde dem ersten Taufstein von 1866 bis heute noch ein würdevolles Bleiberecht im Kirchenraum zugestanden, so hat man die Interimslösung komplett aus dem Kirchenraum entfernt. Die Stahlstützen, die den wuchtigen Stein einst trugen, hielt man wohl für komplett entbehrlich. Dem Stein maßen die damaligen Verantwortlichen hingegen offenbar eine größere Bedeutung bei. Vielleicht hielt man es für pietätlos, das Becken komplett wegzuwerfen, in dem unzählige Sandhäuser Gemeindeglieder getauft worden waren. Tatsache ist, dass es späteren Generationen überlassen blieb, über eine alternative Verwendung oder die endgültige Entsorgung dieses sakralen Gegenstandes aus der jüngeren Gemeindegeschichte zu entscheiden.

Unsere Landschaftsplaner im aktuellen Bauprojekt haben das unverhoffte Auffinden des ehemaligen Taufsteins der Christuskirche nun auf unsere Bitte hin als Gestaltungsaufgabe für die künftige Außenanlage aufgegriffen. In der südwestlichen Ecke hinter der Kirche findet die Platte mit der Taufmulde künftig auf einer Stele aus Sandstein zur Platzgestaltung eine neue Bestimmung. So kann die Vertiefung im heißen Sommer z.B. den heimischen Vögeln als Wassertränke und Badestelle dienen oder im Winter ein Futterhäuschen tragen. Kurzfristig gereinigt, kann an der Stelle aber natürlich auch in ästhetisch anspruchsvoller sakraler Umgebung eine alternative Taufstelle für Freilichtgottesdienste im familiären Rahmen stattfinden. Die Corona-Bestimmungen haben uns schon im vergangenen Sommer kreativ werden lassen und zu mancher Gartentaufe angeregt. Konnte doch im Anschluss auf die Liturgie zum Teil nur auf diese Weise im Kreis der Familie regelkonform gefeiert werden. Wieso sollte also nicht auch hinter der Kirche künftig das eine oder andere Kind im Kreis der engsten Angehörigen und Freunde das Sakrament der Taufe empfangen? Wer weiß, vielleicht gewinnt dann auch der Vers aus Matthäus 6, 26 als Taufspruch Gefallen: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“

Mit herzlichen Grüßen,

Bernhard Wielandt, Pfr.