Wenn ich mit Gemeindegliedern oder Mitarbeitenden über unser großes Bauvorhaben ins Gespräch komme, steht eine Frage ganz weit im Vordergrund: „Was wird dann aus dem Wichernhaus?“ Viele verbinden mit diesem Gebäude Kindheitserinnerungen im Bezug auf den Wichernkindergarten oder prägende Erlebnisse aus der Jugendzeit. Andere denken gerne an gemeinsame Veranstaltungen im großen Saal, an Gemeindefeste, Flohmärkte oder öffentliche Anlässe. In diesem Haus wurde auch viel miteinander diskutiert oder gearbeitet. Viele Stunden des persönlichen Lebens werden in den Gesprächen wieder ganz präsent.

Daher verstehe ich die Frage nicht nur als reinen Wissensdurst oder berechtigte Neugier. Mit ihr geht gleichsam die Bewusstwerdung einher, dass sich jede und jeder individuell von einem vertrauten Ort aus der eigenen Biographie verabschieden muss. Unsere evangelischen Gebäude wie das Wichernhaus oder die Christuskirche sind bei vielen Gemeindemitgliedern unangefochtene Platzhalter für ihre eigene Kirchlichkeit. Sie garantieren das evangelische Engagement vor Ort und geben auch den Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit und Heimat, die nicht ganz so stark mit den kirchgemeindlichen Gruppen und Verantwortlichen vernetzt sind.

Daher machen mir die Berichte über persönliche Erinnerungen meiner Gesprächspartner deutlich: Wir befinden uns schon mitten in einem Ablöse- oder gar Trauerprozess. Und dazu gehört: Man kann nicht nur von dem neu Geplanten erzählen und hoffen, dass sich alle anstecken lassen von der eigenen Überzeugung oder gar Begeisterung. Man muss auch immer wieder neu zuhören und die unterschiedlichen Wege ganz persönlicher Löseprozesse mitgehen. Unser Bauprojekt stellt nicht nur ein Zukunftsprojekt dar, das viele baulichen, sicherheitstechnischen und vor allem wirtschaftlichen Probleme von uns abwendet. Sondern es muss auch als ein Veränderungsprozess gesehen werden, der die Menschen berührt und der es nötig macht, sie mit seelsorglicher Sensibilität in ihren Befindlichkeiten ernst zu nehmen. Ein Teil meines Bautagebuchs ist auch dieser Erkenntnis geschuldet. So ist es vielleicht möglich, den Abschied alteingesessener Gemeindeglieder zu würdigen, indem alte und neue Geschichten diesen Veränderungsprozess flankieren.

Ich will hier aber auch gerne noch die eingangs zitierte Frage beantworten: Im Gebäudeoptimierungsplan der Kirchengemeinde wurde – auch unter klarer Zustimmung der befragten Gemeindeversammlung – festgelegt, das Wichernhaus abzureißen und das Gelände zu vermarkten. Zu diesem Zweck haben wir bereits mit einem Immobilienberater Kontakt aufgenommen, der uns bei dieser Vermarktung berät und uns bei den Schritten der Umsetzung fachkundig betreut. Eine endgültige Entscheidung in diesem Bereich ist jedoch erst möglich, wenn die Fertigstellung des Neubaus absehbar ist. Das wird frühestens Anfang 2020 der Fall sein.

Mit herzlichen Grüßen,

Bernhard Wielandt, Pfr.