Mit einem offiziellen Schreiben hatte der Rhein-Neckar-Kreis uns als Kirchengemeinde das Recht eingeräumt, gegen die abschlägige Haltung der Denkmalbehörde Stellung zu nehmen. Erster Teil der Widerlegung bestand aus dem Hinweis, dass der geplante Anbau und die Veränderungen an der Bausubstanz im Sinne der bisherigen Rechtsprechung keine „Beeinträchtigung von besonderem Gewicht oder deutlich wahrnehmbar“ ist. Als Argumente dienten dem Juristen die topgrafische Lage der Kirche und die enge Randbebauung, die eine Sichtbarkeit der Anbauten nur in sehr eingeschränktem Maße zulässt. Das Schreiben von Herrn von Albedyll kommt zu der juristischen Einschätzung: „Die Beeinträchtigung der Erscheinungsbildes und die Substanzeingriffe sind so unerheblich, dass die Genehmigung nicht versagt werden darf.“ Dahingehend ist die begründete Entgegnung aufgebaut.

Herr von Albedyll führt zunächst aus: Eine empfindliche Störung eines Kulturdenkmals liege für die bisher getroffenen Urteile nur vor, wenn die Veränderungen deutlich wahrnehmbar seien und vom Betrachter als Belastung empfunden würden. Diese wertende Einschätzung sei zudem abhängig vom Denkmalwert. Dabei habe die Entscheidung über die „Störung“ immer „kategorienadäquat“ zu erfolgen. Sie müsse sich also an denkmalrechtlichen Bedeutungskategorien orientieren. Zu den drei entscheidenden Kategorien führt Jurist von Albedyll in seiner Gegendarstellung weiterhin aus: „Dabei ist hinsichtlich der Kategorien (künstlerische/ wissenschaftliche/ heimatgeschichtliche Bedeutung) zu differenzieren: Hiernach ist bei einem Kulturdenkmal, an dessen Erhaltung aus künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse besteht, eine möglichst umfassende und ungestörte Erhaltung der Identität seiner Substanz und seines Erscheinungsbildes von überragender Bedeutung; die Schwelle zur Belastenden Wirkung, die zur Erheblichkeit der Beeinträchtigung führt, ist hier tendenziell bald erreicht. Bei den Schutzgründen der wissenschaftlichen und insbesondere der heimatgeschichtlichen Bedeutung kann die Sache deswegen anders liegen, weil das Kulturdenkmal gerade in seinem dokumentarischen Charakter über sich hinausweist. In dieser Funktion – seinem ‚Zeigniswert‘ – kann es Veränderungen oftmals von vergleichsweise größerem Gewicht unbeschadet überstehen. […] In subjektiver Hinsicht ist für die Beurteilung der Frage, ob das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals erheblich beeinträchtigt wird, das Empfinden des für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters entscheidend. […] Bei Anwendung dieses Maßstabs ist zu beachten, dass dieser kein statischer, sondern ein dynamischer ist, weil das Empfinden des Durchschnittsbetrachters sich im Laufe der Zeit wandelt.“

Danach geht Herr von Albedyll auf die kategoriale Beurteilung des Landesdenkmalamts ein, das für die Begründung der Denkmaleigenschaft der Christuskirche überwiegend wissenschaftliche und künstlerische Gründe ins Feld geführt hatte.

Auf die wissenschaftliche Begründung, nach der die „Christuskirche besonders früh und in konsequenter Weise die Ideale des 1861 erlassenen Eisenacher Regulativs“ verkörpere, wird entgegnet: „In der Datenbank der Evangelischen Landeskirche in Baden, in der alle ca. 750 Kirchen in der Evangelischen Landeskirche in Baden aufgeführt sind, befinden sich über 50 Kirchen, die zwischen 1862 und 1890, dem Jahr des sog. Wiesbadener Programms, das dieses Regulativ dann ersetzte, erbaut wurden. Bereits in den frühen Jahren des Regulativs von 1862-1869 wurden innerhalb der Landeskirche neben Sandhausen 19 weitere Kirchen entsprechend der neuen Programmatik fertig gestellt: […] Nahezu alle diese Kirchen sind im ‚gothischen Styl‘ [sic!] erbaut. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal kommt der Christuskirche in Sandhausen angesichts der vielen anderen Kirchenbauten, die allein in unserer Region entsprechend des Regulativs entstanden sind, nicht zu.“

Künstlerische Gründe zur Begründung der Denkmaleigenschaft der Christuskirche sieht Jurist von Albedyll im Schreiben der Landesdenkmalpflege zwar tituliert. Tatsächlich seien sie inhaltlich jedoch ausschließlich als wissenschaftliche und heimatgeschichtliche Gründe zu qualifizieren.

Zur Randbebauung wird unter der anschließenden Beschreibung der Nachbargrundstücke weiter ausgeführt: „Die in §8 DSchG beschriebene Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes steht in einem unteilbaren Zusammenhang der Wahrnehmbarkeit des Denkmals. Das Landesamt für Denkmalpflege geht in keinster Weise auf die städtebauliche Situation vor Ort ein.“ Auf der Grundlage der engen Randbebauung wird der sichtbaren und erheblichen Beeinträchtigung durch die geplante Baumaßnahme in allen Detailfragen widersprochen.

Auf die vom Landesdenkmalamt besonders hervorgehobene Bedeutung des historischen Urhebers der Christuskirche, Architekt Herrman Behaghel, antwortet Jurist von Albedyll: „Gemäß Wikipedia-Eintrag […] baute dieser im Laufe seines Lebens 30 Kirchen in Nordbaden und orientierte sich dabei lange Zeit am Eisenacher Regulativ. Aufgrund der häufigen Auseinandersetzung mit den Kirchen Behaghels ist der Evangelischen Landeskirche in Baden dessen Bedeutung für den Evangelischen Kirchenbau in Baden sehr bewusst. Ein Alleinstellungsmerkmal der Sandhäuser Christuskirche wird allerdings gerade aufgrund des umfangreichen Oeuvres des Architekten mit sich wiederholender Anlage der ‚gebauten Liturgie‘ und immer wiederkehrenden Stilelementen – auch in künstlerischer Hinsicht – nicht gesehen.“

Nach diesen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der begründeten Ablehnung unseres Bauvorhabens durch das Landesdenkmalamt, setzt das Schreiben mit der Anführung „Gottesdienstlicher Belange“ fort. Was es damit auf sich hat, lesen Sie im nächsten Tagebucheintrag.

Mit herzlichen Grüßen,

Bernhard Wielandt, Pfr.